Puh, jetzt ist er da, der Sommer! Normalerweise bin ich ja sehr zufrieden mit meinem Näh- und Kursraum. Ich habe viel Platz, große Fenster und viel Licht. Aber im Sommer beneide ich doch die „Kellermäuse“, die ihren Kreativplatz im kühlen Untergeschoss haben. Ich kann im Moment nur in den frühen Morgenstunden nähen. Also habe ich mir überlegt: Ich schreibe lieber ein paar Blogposts. So wenig wie möglich bewegen, still am Computer sitzen, schreiben und viel trinken – so komme ich durch die erste Hitzewelle des Jahres.

Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das ich persönlich gut kenne und du ja vielleicht auch: die Nähblockade. Ich habe mir dazu einige Gedanken gemacht, die ich in diesem Blogartikel gerne festhalten und mit dir teilen möchte. Vielleicht kannst du dich ja in einigen Punkten wiedererkennen.
Weil es ein großes Thema ist, habe ich entschieden, in diesem Blogartikel erst mal nur über die Ursachen zu schreiben. Was können die Gründe für eine Nähblockade sein? Um Tipps und Lösungsansätze wird es dann in meinem 2. Blogartikel gehen.
Ich bin ein Mensch, der viel über Zusammenhänge nachdenkt und reflektiert. Besonders wenn ich mit einer Situation unzufrieden bin, gehe ich dem auf den Grund. Was passt hier nicht? Was macht mich so unzufrieden? Woran hakt es? – Wenn ich das herausgefunden habe, kann ich etwas ändern. Auch die Nähblockade, die mich von Zeit zu Zeit befällt, hat ihre Ursachen und Muster. Mittlerweile habe ich ein paar nützliche „Werkzeuge“, die mir dabei helfen, meine Nähblockade schnell zu überwinden.

Was ist eigentlich eine Nähblockade?
Manchmal bist du total im Nähflow, du sprudelst nur so vor Ideen und nähst ein Teil nach dem anderen. Manchmal hast du aber auch gar keine Lust zu nähen und möchtest lieber was ganz anderes machen, z. B. bei 36 Grad ins Schwimmbad gehen. Das ist total normal und noch lange keine Nähblockade. Da nimmst du dir halt einfach eine Auszeit, so lange, bis du irgendwann wieder Lust und Ideen hast.
Für mich ist eine Nähblockade, wenn ich gerne möchte, aber nicht kann. Ich würde gerne nähen, ich wäre gerne produktiv, finde aber keinen Anfang, weil ich mich für kein Projekt, kein Schnittmuster oder keine Stoffe entscheiden kann. Ich bin blockiert, stehe mir selbst im Weg, und diese Situation frustriert mich.
Mich befällt eine Nähblockade gerne mal am Ende eines großen Projekts, z. B. nach der Veröffentlichung einer neuen Nähanleitung. Oder aber wenn ich ein ganz besonderes Geschenk nähen möchte. Da ist mir manchmal die beste Idee nicht gut genug. Ich reibe mich unnötig im Entscheidungsprozess auf, schiebe das Projekt vor mir her und habe am Ende Zeitdruck. … Kommt dir das bekannt vor?
Wo liegt denn das Problem?
1 | Das große Problem ist das Zuviel!
Es ist wirklich wunderbar, dass wir heute dank des Internets auf einen Schlag so viel Nähinspiration finden können – auf Blogs, auf Instagram, Pinterest oder Facebook. Wir können uns stundenlang anschauen, was andere genäht haben, Ideen sammeln und Tipps aufsaugen. Wir können in Nähzeitschriften blättern und Bücher wälzen und haben hunderte Schnittmuster und E-Books auf der Festplatte gespeichert. Und nicht wenige von uns sagen kopfschüttelnd über sich selbst: „Ich habe mehr Stoff im Schrank, als ich jemals in meinem ganzen Leben vernähen kann.“
Das große Problem ist das Zuviel! Die vielen Möglichkeiten erschlagen und blockieren uns. Da sind wir auch nicht anders als der Oktopus, über den ich mal etwas Interessantes gelesen habe: Wenn man dem Oktopus hundert Bälle ins Aquarium wirft, passiert gar nichts. Wirft man aber nur einen oder zwei Bälle hinein, fängt er an, damit zu spielen.
Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Eine Entscheidung zu treffen, sorgfältig abzuwägen, kostet nicht nur Zeit, sondern auch viel Energie. Angenommen ich habe hundert Ideen, die ich toll finde. Eine einzige Idee auszuwählen, bedeutet: Ich muss zu 99 anderen Ideen Nein sagen. Auch das fällt vielen von uns schwer und kann uns blockieren. Das gleiche gilt für UFOs, angefangene Nähprojekte, die auf die Fertigstellung warten. Auch zu viele Projekte gleichzeitig können uns blockieren. Wir vertun unsere Zeit mit Hin- und Herüberlegen, ruckzuck sind ein oder zwei Stunden vergangen, wir haben keine einzige Naht genäht und sind unzufrieden.

2 | Perfektionismus & der Wunsch, keine Fehler zu machen
Kennst du das auch? Du suchst nach einem schönen Schnittmuster oder Patchwork-Pattern und findest einfach nicht das richtige. Selbst wenn du ein oder zwei Favoriten ausgemacht hast, fängst du doch wieder an zu zweifeln und stöberst weiter. Schließlich könnte es ja etwas noch Besseres geben. Keine Idee ist dir gut genug. Du trittst auf der Stelle und bist frustriert.
Vielleicht haderst du auch mit den Stoffen, die dir zur Verfügung stehen, und blockierst dich selbst mit dem Gedanken, dass sie nicht gut genug oder die richtigen sind. Du hast eine riesige Stoffauswahl, aber denkst trotzdem: „Ich muss mir unbedingt diese oder jene Stoffe kaufen. Erst dann kann ich loslegen, erst dann wird mein Nähprojekt perfekt.“ Also bestellst du deine Traumstoffe und baust dir damit, ohne es zu wollen, eine neue Hürde auf…
Was, wenn ich die schönen, teuren Stoffe verschneide?
Du traust dich nicht anzufangen, denn du willst den tollen Stoffschatz auf keinen Fall verschwenden. Es muss also das perfekte Nähprojekt sein. Du darfst keine falschen Entscheidungen treffen und bloß keine Fehler machen. Oh je, was für einen riesengroßen Stein man sich durch solches Denken in den Weg legt!
Dabei lernt man ja nur, indem man etwas selber ausprobiert und Fehler macht. Natürlich kann man sich Tipps bei anderen holen, hilfreiche Videos anschauen und Blogartikel lesen, aber schlussendlich muss man selbst seine eigenen Erfahrungen machen und das Risiko eingehen, dass man Zeit, Stoff und Geld verschwendet. Ich würde auch oft gerne Abkürzungen nehmen und muss mir immer wieder sagen: Nähen ist ein Lernprozess, und Fehler gehören dazu! Das fertige Nähprojekt muss nicht perfekt sein.
Tatsächlich ist das für mich ein großer Hemmschuh: die Sorge, wertvolle Ressourcen zu verschwenden und für die Tonne zu nähen. Es gibt nichts Schlimmeres. Ich interessiere mich sehr für Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsfragen und versuche mir immer wieder bewusst zu machen, wie viele Liter Wasser und Chemikalien bei der Herstellung von Baumwollstoffen verbraucht werden. Das ist für mich ein Dilemma und blockiert mich manchmal.

3 | Sich mit anderen vergleichen & jedem gefallen wollen
Eigentlich wissen wir, dass es ungesund ist und unglücklich machen kann, aber wir können es manchmal trotzdem nicht sein lassen: Wir vergleichen uns mit anderen. Wir schauen uns in den Sozialen Medien und auf Blogs an, was andere nähen, wir orientieren uns an Vorbildern, aber anstatt inspiriert zu sein, sind wir eingeschüchtert und frustriert.
Besonders auf Instagram tummeln sich viele talentierte Menschen, die am laufenden Band unglaublich tolle Sachen zeigen. Diese Leute sind produktiver als wir und haben Einfälle, die uns nie kämen. Ständig hauen sie etwas Neues heraus, während wir nicht in die Pötte kommen. Egal, um welches Schnittmuster es geht, garantiert wurde es schon dutzende Male perfekt und wunderschön umgesetzt und auf Instagram oder Facebook gezeigt. Wie soll man da selbst je rankommen? Wie soll man da mithalten? – Aber müssen wir das überhaupt?
Sei du selbst, alle anderen sind schon vergeben!
Eine Nähblockade kann auch entstehen, wenn du dich zu sehr mit anderen vergleichst und die Messlatte zu hoch setzt. Selbstzweifel nagen an dir, du schadest deiner Kreativität und verlierst den unbeschwerten Spaß am Nähen.
Ich denke, es sind heutzutage die Sozialen Medien, die uns extrem beeinflussen – positiv wie negativ. Die Kehrseite von Instagram ist z. B., dass man vielleicht nur noch das näht und zeigt, von dem man erwarten kann, dass es viel Anerkennung in Form von Likes gibt. Aber wenn du jedem gefallen möchtest und dich nach dem Geschmack anderer oder ständig wechselnden Trends ausrichtest, kann dich das auch ganz schön blockieren. Du entfernst dich von dir selbst und was DIR gefällt und tust dir noch schwerer damit, Entscheidungen zu treffen und mit Nähprojekten anzufangen.

4 | Ich hab keine Zeit und keinen richtigen Nähplatz!
Viele von uns sind berufstätig und haben Kinder. Neben Arbeit, Familie, Haushalt, Einkaufen und Sport bleibt da oft nicht mehr viel Zeit für das Nähhobby. Wenn man weiß, man hat nur 30 Minuten oder eine Stunde Zeit zur Verfügung, baut das schon etwas Druck auf. Es gibt zwar Menschen, die gerade dann total produktiv sind und aus diesem kleinen Zeitfenster alles herausholen können, es gibt aber auch Menschen, die sagen: „Warum soll ich überhaupt anfangen? Das lohnt sich doch gar nicht für eine halbe Stunde.“ Sie sind gelähmt und blockiert wegen des Zeitlimits und fangen erst gar nicht an.
Das Straßenkehrer-Beppo-Prinzip
Hier gibt es tatsächlich einen ganz einfachen Tipp, der super funktioniert: Zerlege dein Nähprojekt in kleine Häppchen! Jedes Nähprojekt durchläuft verschiedene Phasen: Planung, Stoffauswahl, Zuschnitt, evtl. Vlies-Aufbügeln und mehrere Nähschritte. Warum alles auf einmal erledigen? Wenn du dir jeden Tag eine Viertelstunde Zeit nimmst und eine Kleinigkeit machst, kommst du auch voran.
„Schön und gut“, sagst du jetzt vielleicht, „aber ich habe gar keinen richtigen Nähplatz. Ich kann mein Projekt nicht liegen lassen, sondern muss es immer wegräumen.“ – Dass das vom Nähen abhält und blockiert, kann ich sehr gut verstehen. Wenn man vielleicht nur eine halbe Stunde Zeit hat und schon allein 15 Minuten damit beschäftigt ist, alles beizuholen und aufzubauen, ist das eine große Hürde und macht auf Dauer keinen Spaß. Aber dafür kannst du bestimmt eine Lösung finden. Es muss ja kein eigenes Nähzimmer sein. Ein kleiner Tisch in irgendeiner Ecke, auf dem deine Nähmaschine steht und wo du dein angefangenes Projekt liegen lassen kannst, ist schon Gold wert!
Wie denkst du darüber?
Jetzt interessiert mich natürlich brennend: Wie ist das bei dir? Hast du auch schon mal eine Nähblockade gehabt? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar und erzähle mir von deinen Erfahrungen.
Jetzt online: Teil 2 – Meine Tipps gegen Nähblockaden
Hier findest du den zweiten Blogartikel: Nähblockade | 15 Tipps, wie du dein Sewjo wiederfindest – Darin stelle ich dir meinen „Werkzeugkoffer“ vor. Das sind gute Gedanken und Gewohnheiten, die mir dabei helfen, eine Nähblockade zu überwinden oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Vielleicht sind ja auch ein paar nützliche Tipps für dich dabei.