Okay, der Zeitpunkt ist gekommen. Es hilft ja nichts. Wir müssen über den Elefanten im Raum sprechen: Du befindest dich hier auf einem Blog, auf dem seit zwei Jahren kaum noch Beiträge erscheinen. Wenn du mir auf Instagram folgst, hast du vielleicht mitbekommen, wie ich dort geschimpft und die Scheidung von der Plattform eingereicht habe. Da passiert also auch nicht mehr viel.
Große Lust, Anleitungen zu schreiben, hab ich gerade auch keine – weil: Es gibt doch eh schon alles, und eigentlich von allem viel zu viel! Du siehst das Problem auch, oder? Die Frage liegt auf der Hand: Wie soll’s mit greenfietsen weitergehen? Ist jetzt die Zeit gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen? Sollte ich mein Gewerbe abmelden, den Blog vom Netz nehmen, das Nähen nur noch für mich privat als Hobby genießen?
Ich wünschte, ich wäre besser im Verdrängen von Problemen. Das würde mein Leben einfacher machen. Ich brauche immer das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, etwas, das die Welt ein kleines Stückchen besser und schöner macht. In mir steckt der tiefe Wunsch, Teil der Lösung zu sein, nicht Teil des Problems. Ob das dann auch der Realität entspricht, weiß ich nicht, aber als ich vor 12 Jahren angefangen habe, über Nähen und Selbermachen zu bloggen, hat sich das für mich sehr stimmig angefühlt.
Damals war greenfietsen für mich eine bunte Spielwiese, auf der ich mit großer Leichtigkeit herumgetollt bin. Alles war neu und aufregend. Ich habe so viel ausprobiert, Ideen umgesetzt und laufend dazugelernt. Die Nähblogger-Gemeinschaft war groß und stark vernetzt, bunt, lebendig und sehr freundschaftlich und solidarisch. Es war toll, ein Teil davon zu sein. Ich erinnere mich an so viele schöne und lustige Projekte und Mitmach-Aktionen, die wir gemeinsam ins Leben gerufen haben: 6 Köpfe – 12 Blöcke, der Taschen-Sew-Along, Handmade on Tuesday, From Trash to Blog und vieles mehr.

from trash to blog – Fadenmäuse als Perücken für Löffelpuppen
Heute vermisse ich diese Leichtigkeit und Experimentierlust, und ich frage mich: Bin ich irgendwo falsch abgebogen und vom Weg abgekommen? War die Idee, greenfietsen zu kommerzialisieren, von Anfang an eine dumme? (Wenn man in einer Krise ist, zieht man ja gerne mal grundsätzlich alles in Zweifel.) Wo habe ich mir vielleicht selbst im Weg gestanden? Wie haben mir Facebook und Instagram geschadet? Habe ich mich von den Sozialen Netzwerken zu abhängig gemacht und negativ beeinflussen lassen? Welche Rolle hat Corona gespielt?
Oder hat einfach alles im Leben seine Zeit und die von greenfietsen ist halt jetzt zu Ende? Nix bleibt ewig. Normaler Lauf der Dinge. Brauche ich vielleicht einfach eine neue Herausforderung? Ein Feld, auf dem ich mich wieder ausprobieren und mit Begeisterung Neues lernen kann? – Eine einfache Antwort gibt’s darauf nicht. Auch deshalb, weil greenfietsen ja mehrere Standbeine hat(te). Alles ist miteinander verwoben und muss in einem großen Zusammenhang gesehen werden.
Das Knäuel entwirren
Ein Rat vieler Berufscoaches lautet: Wenn du unzufrieden bist, schmeiß nicht gleich alles hin, versuch vielleicht erst mal, die Rahmenbedingungen zu ändern. Und an diesem Punkt bin ich gerade. Ich versuche, das Knäuel aus Unzufriedenheit zu entwirren, Entwicklungen nachzuvollziehen und die Dinge noch mal neu zu denken. Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um wieder den Weg nach vorne sehen zu können.
Denn Fakt ist: Ich hänge an greenfietsen, ich hänge an diesem Blog. Das ist ja mein Dilemma! Es macht mir Spaß, zu nähen, kreativ zu sein, und ich schreibe auch gern im Internet darüber. Außerdem kann ich die Arbeit von 12 Jahren nicht einfach so in den Wind schießen. Aber ich kann auch nicht so weitermachen wie bisher, denn es funktioniert so nicht mehr. Es muss sich was ändern! Einiges habe ich schon geändert:
1. Newsletter eingestellt
Schweren Herzens habe ich nach drei Jahren meinen E-Mail-Newsletter eingestellt. Das Gestalten und Schreiben des Newsletters hat mir immer viel Spaß gemacht und ging mir leicht von der Hand. Auch mit den Öffnungs- und Klickraten war ich sehr zufrieden; der Newsletter kam bei den meisten Abonnentinnen sehr gut an. Allerdings fiel es mir immer schwerer, meinem Anspruch gerecht zu werden, einen echten Mehrwert zu den Bloginhalten zu bieten. Am Ende war es auch eine Kostenfrage.
2. Nähkurse beendet
Im Herbst 2018 habe ich angefangen, in meinen privaten Räumen Nähkurse für Kinder und Erwachsene anzubieten. Gerade als das Ganze so richtig Fahrt aufnahm und alle Kurse voll waren, kam Corona. Nach einer langen Pause habe ich versucht, an die Zeit davor anzuknüpfen, aber es war nicht mehr dasselbe. Es hat mir zwar immer noch Spaß gemacht, die Kurse zu gestalten und mein Wissen weiterzugeben, aber es hat organisatorisch nicht mehr funktioniert. Viel häufiger als vor Corona haben Leute ihre Anmeldung in der Schwebe gehalten, wollten sich nicht verbindlich festlegen, wollten plötzlich verschieben oder haben kurzfristig abgesagt und dann wegen der Rückzahlung der Kursgebühr unerbittlich gestritten. Wegen zu hohem Organisationsaufwand, fehlender Planungssicherheit und Unrentabilität habe ich im Herbst 2024 meine Nähkurse eingestellt.
3. Rückzug aus Facebook und Instagram
Fühlst du dich noch wohl mit Facebook und Instagram? Mir hat es letztes Jahr endgültig gereicht. Im April habe ich nach einer langen Phase der Entfremdung meinen 12 Jahre alten Facebook-Account gelöscht, und das war die beste Entscheidung überhaupt! Das hat sich so positiv auf mich ausgewirkt. Was für eine Befreiung!
Privat ist es mir leichtgefallen, auf Facebook zu verzichten, aber für greenfietsen hatte es schon Folgen. Ich habe meine Fanpage mit allen Beiträgen und Kommentaren aufgegeben, ebenso die Gruppen, in denen ich als Admin aktiv war. Der größte Verlust war meine Facebook-Probenähergruppe. Trotzdem habe ich es bis heute keine Sekunde bereut. Im Gegenteil!
Über mein abgekühltes Verhältnis zu Instagram möchte ich gerne einen separaten Blogpost schreiben. Instagram hat mir in den Anfangsjahren viel Spaß gemacht, ich habe enorm davon profitiert, aber leider hat sich die Plattform in meinen Augen sehr negativ entwickelt. Deshalb befinden Instagram und ich uns schon länger in der Trennungsphase. Es fällt mir sehr schwer, nach über 10 Jahren Beziehung loszulassen, auf 11k Follower und die Vorteile zu verzichten, aber ich befürchte, es geht nicht anders.
4. Hinwendung zu alternativen Sozialen Netzwerken
Auch wenn es nicht so klingt, ich mag Soziale Netzwerke immer noch. Ich finde es toll, mich austauschen und vernetzen zu können. Ich bin gerne Teil einer Community. Und natürlich darf man nicht vergessen, dass Bewegungen wie Black Lives Matter, #metoo oder Fridays for Future ohne Soziale Netzwerke nie so groß geworden wären. Aber ich halte es für falsch und brandgefährlich, wenn Plattformen, über die heute die halbe Menschheit kommuniziert und ihre Nachrichten bezieht, im Besitz einzelner, reicher Männer sind. Männer, die mit ihren Algorithmen steuern, was wir sehen und was nicht, und die dabei eigene politische Interessen verfolgen. Das ist zu viel Macht!
Es wäre schön, wenn die Plattformen der Big-Tech-Konzerne reguliert werden könnten, aber bis es so weit ist, orientiere ich mich um und teste eine Alternative: Pixelfed. Das ist eine App, die ähnlich aussieht und funktioniert wie Instagram, die aber werbefrei, datenschutzkonform und gemeinwohlorientiert ist. Über die Vor- und Nachteile von Pixelfed habe ich viel recherchiert und werde demnächst mal einen eigenen Post schreiben. Vielleicht begegnen wir uns ja bis dahin schon im Fediverse, ich würde mich sehr freuen.
Mein Account: greenfietsen@pixelfed.social
5. Zurück zu den Wurzeln
Wie du siehst, versuche ich, Kommunikationsstrukturen außerhalb von Facebook und Instagram (wieder) aufzubauen. Dazu gehört auch, diesen Blog aus dem Schlaf zu wecken und mit neuen Inhalten zu füllen. Ob das gelingen wird, weiß ich nicht, aber ich war schon lange nicht mehr so motiviert wie jetzt gerade. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns dringend aus der Abhängigkeit von den großen Plattformen befreien sollten und dass die Rückbesinnung auf Blogs und die Stärkung kleiner Netzwerke dazu beitragen können. Ja, nenn mich ruhig Idealistin. 😉
Eins steht für mich jedenfalls fest: Mit diesem Blog habe ich angefangen, und hier werden die Lichter erst ganz zum Schluss ausgehen. Aber dieser Zeitpunkt ist für mich noch nicht gekommen.
Fußnote:
Zum ersten Mal seit 2014 werde ich diesen Blogpost nicht auf Instagram „bewerben“. Ich werde nicht überlegen, wann der richtige Zeitpunkt ist, meinen Beitrag zu posten, welche Textlänge richtig ist, welche Hashtags am besten funktionieren und wie ich dem Algorithmus gefallen kann, damit er meinen Beitrag möglichst gut ausspielt und viele Leute hierherzieht. Ich werde hinterher nicht hundertmal in die App reingucken, um zu checken, ob jemand meinen Post oder meine Story gelikt oder kommentiert hat. Puh, was für eine Erleichterung! Metaverse, du kannst mich mal! Ich hoffe, dass trotzdem zwei, drei Leute herfinden und meinen Post lesen. 😀 Ich würde mich sehr darüber freuen.